Huhu,
ich bin’s. Heute melde ich mich außerplanmäßig, weil ich mal über ein etwas persönlicheres und nicht ganz so fröhliches Thema sprechen möchte. Denn, wenn ich es heute nicht tue, dann vielleicht nie.
Es geht um Depressionen. Meine Depressionen um genau zu sein.
Depressionen sind ein schwieriges Thema – nicht jede*r bringt hierfür das Verständnis auf, das nötig ist, um darüber zu sprechen. Oftmals wird das mit einem “Jetzt hab ich nicht so, jeder ist mal traurig.” oder “Du musst einfach positiver denken!” abgetan, was im besten Falle kontraproduktiv ist. Entgegen einer häufigen Annahme ist es eben nicht nur “traurig sein”. Depressionen lassen sich nicht weglächeln. Wen es interessiert, kann ja mal bei kleinerdrei vorbeischauen und Malaikas Text über #notjustsad lesen. Denn ich möchte hier gar nicht mal darüber schreiben, wie – pardon – beschissen es ist, mit Depressionen funktionieren geschweige denn leben zu müssen. Naja, zumindest nicht nur.
Es geht eigentlich vor allem darum, warum mir das Crafting jetzt so wichtig ist. Obwohl ich, bis ich nach Hamburg gezogen bin, das Thema so gar nicht auf dem Schirm hatte und auch so gar nicht daran interessiert war. Als ich noch Kind war, habe ich es mal mit Häkeln und Stricken versucht, aber es fehlte mir an Geduld und Fingerfertigkeit. Entsprechend dachte ich nie, dass ich mal ein Regal voll Papiergedöns haben werde.
Aber dann kam Hamburg – die ersten 12 Monate in der Hansestadt waren für mich der reinste psychische Stress. Ich war Praktikantin und damit, wie die meisten wahrscheinlich wissen, quasi dauerpleite. Ich habe in diesem Jahr drei Erkältungen verschleppt, weil kein Geld für Medikamente da war. Das Leben in meiner WG war für mich der reinste Horror – mein Zimmer winzig und dunkel, meine Mitbewohnerin egozentrisch und so gar nicht der Typ von Mensch, mit dem ich klarkomme. Die Entfernung zu meiner Familie und meinen Freunden betrug auf einmal mehrere hundert Kilometer und als introvertierter Mensch finden sich auch nicht so schnell neue Menschen, mit denen ich meine Zeit verbringen möchte. Ich war einsam, pleite und unter Dauerstress – und damit ein gefundenes Fressen für Depressionen, die sich festsetzten und nie mehr so richtig verschwanden.
In dieser Zeit habe ich nach irgendeiner Form des Ausgleichs gesucht – irgendwas, dass mich davon ablenkt, wie beschissen es gerade lief. Ich weiß nicht mehr wie, aber irgendwann bin ich über Scrapbooking gestolpert und es hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Das, was da aus den USA zu uns herübergeschwappt war, hatte so gar nichts mit diesen “altbackenen” Papierbasteleien zu tun, mit denen ich damals nichts anfangen konnte und wollte. Da gab es nicht nur schöne Papiere und Gedöns, wenn es fertig war, hatte ich am Ende ein richtiges “Produkt” in der Hand. Etwas, dass ich aufheben und immer wieder betrachten konnte. Und das beste: wenn ich meine Hände mit Papier beschäftigte, war es völlig egal, wie mies meine Wohn- und Lebenssituation war. Ein bisschen wie in Watte gepackt oder in einem Tunnel – abgeschottet und weit, weit weg von den quälenden und sich drehenden Gedankenstimmen. Ich hatte eine für mich funktionierende Form von “Therapie” gefunden.
Mittlerweile weiß ich, dass ich nicht die einzige bin, der Handwerken oder Handarbeiten dabei helfen, sich loszulösen – nicht nur von Arbeitsstress, sondern auch von Depressionen. Wenn auch nur für ein paar Stunden. Aber das hilft oft schon. Ein kleines bisschen Seelenbalsam in Form von Papier und Farbe oder Wolle und Garn. Hier gibt es übrigens einen sehr, sehr spannenden Artikel dazu (in englisch!), der mich dazu bewegt hat, heute ein wenig darüber zu sprechen. Denn es ist toll, zu sehen, dass etwas, was häufig belächelt wird, Menschen wirklich helfen kann.
Es gibt diesen Spruch, den ich immer wieder sehe: Do what makes you happy. Mach, was dich glücklich macht. Und auch wenn ich von “glücklich” an den meisten Tagen nicht sprechen kann, dann zumindest von “glücklicher”. Nicht mehr ganz so schlecht wie vor ein paar Stunden oder in ein paar Stunden.
Das ist natürlich alles relativ – Crafting funktioniert für mich, das muss es nicht für jeden. Wie Malaika es oben in ihrem Artikel schrieb: Depressionen haben viele Gesichter, so unterschiedlich wie die Menschen, die darunter leiden. Was für die einen funktioniert, muss nicht für die anderen genauso funktionieren. Nur weil du eine Häkelnadel und Wolle in der Hand hast, geht es dir nicht automatisch besser. Aber es kann helfen. Mir hilft es – nicht immer, aber oft genug.
Natürlich hilft nicht nur das Crafting selbst, sondern auch das positive Feedback meines Umfelds. Freunde, die sich über Karten zum Valentinstag oder Mini-Alben zum Geburtstag freuen oder sich dazu inspiriert fühlen, selbst mit dem Craften anzufangen. Freude schenken und Freude zurückerhalten – das sind zwei positive Nebeneffekte des Craftings, die nicht wenig dazu beitragen, bösartigen Gedanken ein wenig die Lautstärke zu nehmen.
Crafting – egal, ob nun Scrapbooking oder Häkeln oder sogar das Backen – sind für mich Stütze und Hobby zugleich. Ich möchte sie nicht mehr missen und will gar nicht wissen, wie es mir ergangen wäre, wenn ich sie nicht für mich entdeckt hätte.
Jetzt habe ich viel mehr geschrieben, als ich eigentlich wollte. Aber wahrscheinlich war dieses Ausschütten der Gedanken mal nötig. Ich danke euch, wenn ihr es bis hierher geschafft habt. Verratet mir doch: Was bedeutet euch das Craften? Was waren eure Beweggründe, mit euren Hobbies anzufangen?
~Jen