Bitch, please: *ismen, *phobien und Sprache

Hallo, ihr Lieben!

Sprache ist allgegenwärtig. Wir sind eigentlich stets und ständig davon umgeben – und sei dies nur in Form von Slogans auf Wahl- oder Werbeplakaten. Sie ist wandelbar und flexibel, ständigen Änderungen und Neuerungen unterlaufen. Immer neue Wortkreationen finden ihren Weg in Duden und Lexika und einige Begriffe verschwinden aus unserem Sprachgebrauch oder ändern gar ihre Bedeutung. Sie ist unglaublich vielfältig – es gibt mehrere Tausend unterschiedliche Sprachen. Sprache ist wichtig, sie dient der Kommunikation und sorgt für ein entspannteres Miteinander. Oder eben nicht.

Denn Sprache existiert nicht in einem Vakuum, sie spiegelt unsere Gesellschaft wieder. Wir verleihen ihr Bedeutung und schaffen mit ihr Realitäten. Wir assoziieren Begriffe mit bestimmten Erinnerungen, mit Gefühlen oder mit historischen Ereignissen. Sprache ist ein Werkzeug und wir entscheiden, ob es eine Klammer ist, die uns zusammenhält, oder ob es ein Vorschlaghammer ist, mit dem wir alles kurz und klein hauen.

sticks and stones and words

Kennt ihr das Sprichwort über “sticks and stones”? Nein, ich meine nicht den Rihanna-Song. Sondern das hier:

“sticks and stones may hurt my bones
but words will never harm me.”

“Knüppel und Steine mögen meinen Knochen wehtun, doch Wörter werden mir niemals schaden.” Erstmals erschienen ist dieser Kinderreim wahrscheinlich in einer Publikation der African Methodist Episcopal Church aus dem Jahr 1862. Er ist ein Appell daran, nicht auf verbale Bösartigkeiten zu reagieren, sondern ruhig zu bleiben. Es ist bezeichnend, dass dieses Sprichwort in der Schrift schwarzer Christen auftauchte, die sich 1862 massiver Rassismen ausgesetzt sahen. Sich gegen die weiße Herrschaftsgesellschaft zu wehren – egal in welcher Form – resultierte einfach in noch mehr Schmerz und Gewalt. Der Kinderreim ist ein Versuch des Selbstschutzes – einer, der wahrscheinlich nicht wirklich fruchtet.

Denn eine herrschende Gruppe legt alles, was du tust, in ihrem Sinne aus. Erträgst du die Gewalt still? Dann hast du offensichtlich selbst akzeptiert, dass du es nicht anders verdienst. Wehrst du dich? Dann bist du genau das “Monster”, für das sie dich schon immer gehalten haben. Egal, was du tust, es wird zu deinem Nachteil ausgelegt.
Und zum anderen: Wörter tun weh. Wörter können verletzen. Verbale Gewalt gibt es überall – Menschen, die von *ismen oder *phobien betroffen sind, können ein Lied davon singen. Die Narben, die verbale Gewalt hinterlassen, sind nicht immer sichtbar, aber so permanent wie sichtbare. Ich erinnere mich noch heute an Dinge, die mir vor Jahren hinterher oder ins Gesicht gebrüllt wurden, so klar, als wären sie nur wenige Stunden her.

Dessen sollte eins sich beim Gebrauch von Sprache stets bewusst sein – vor allem als Zugehörige/r eine dominanten Gesellschaftsgruppe (z.B. Weiße, Männer, Heterosexuelle). “With great power comes great responsibility” – das gilt nicht nur für Andrew Garfield in einem hautengen rot-blauen Latexkostüm. Denn als Zugehörige/r zu einer dominanten Gruppe, wirst du in der Regel ernster genommen, als die Menschen, die einer marginalisierten Gruppe angehören – selbst (und manchmal vor allem) wenn du über Themen sprichst, die diese marginalisierte Gruppe betreffen. Deswegen erhalten Männer, die sich zu Feminismus bekennen, tendentiell mehr Zustimmung von Männern, als es bei Frauen der Fall ist. Die kriegen stattdessen Mord- und Vergewaltigungsdrohungen (CW für Gewalt- und Vergewaltigungsandrohungen).

Dein fehlender Respekt ist scheiße – there, I said it

Warum ich das gerade so explizit anspreche? Nun, vor ein paar Wochen hat eine Person auf ihrem Blog rassistische Sprache verwendet. Ich habe die Person darauf angesprochen und ihre Reaktion hat mir die Augenbrauen nach oben getrieben. Sie sei sich der Bedeutung des Wortes bewusst und habe sich ausgiebig mit der deutschen Geschichte als Kolonialmacht auseinandergesetzt, Aber sie sei mit dem Begriff nun einmal aufgewachsen und überhaupt, findet sie, müsse eins das ja nicht so übertreiben mit dieser “political correctness”. (Als ob political correctness etwas Schlimmes ist. Newsflash: ist es nicht.)

joan
Danke, Joan. Sehe ich auch so.

Okay, pass uff. Wenn eine marginalisierte Gruppe dich darum bittet, einen Begriff (ein Schimpfwort!) nicht mehr zu benutzen und das schon seit Jahrzehnten tut, dann gebietet es dir eigentlich dein gesunder Menschenverstand zu sagen: Okay, tut mir leid, werde ich nicht mehr tun. Das nicht zu tun, was hier passiert ist, zeugt von mangelndem Respekt. Du zeigst damit ganz deutlich, dass dir die Lebenswelten von marginalisierten Menschen egal sind, und – jetzt sind wir wirklich mal ehrlich – dass du rassistisch bist. (Glaubst du nicht? Dann schau mal hier hin und hier hin.)pradaRassistische Sprache ist noch immer ein Teil unseres alltäglichen Sprachgebrauchs. Das ist nichts, woran eins festhalten sollte. Ich habe den Begriff, um den es bei der Person oben geht, selbst jahrelang benutzt – ich bin ebenfalls damit aufgewachsen. Das ist aber kein Grund, meinen Sprachgebrauch nicht anzupassen, wenn ich darauf aufmerksam gemacht werde, dass das betreffende Wort oder die Phrase sexistisch, rassistisch, ableistisch, homophob, etc. ist. Sprache ist, wie oben bereits gesagt, ständiger Wandlungen unterworfen – wenn das bedeutet, dass diskriminierende Sprache langsam aus unserem Sprachgebrauch gestrichen wird, dann ist das etwas begrüßenswertes und nichts, was eins ablehnen sollte. Und das gilt für das N*Wort genauso wie für den Gebrauch der Wörter “schwul” und “behindert” als Schimpfwörter oder für Begriffe wie “ausgemerzt”, die durch die Nazis geprägt wurden. Vor allem, da es für die meisten diskriminierenden Wörter gute und bessere Alternativen gibt, die eben nicht diskriminierend sind.

Eine immerwährende Verwendung diskriminierender Sprache bedeutet, dass diese Diskriminierungsformen reproduziert werden – eins wird zum Grund dafür, dass diese weiterleben. Es ist nicht möglich, sich mit marginalisierten Gruppen auf einer Augenhöhe zu unterhalten, wenn eins diesen Gruppen immer noch mit dem N*Wort oder “Schwuchtel” oder “Transe” oder oder oder begegnet. Eins macht damit deutlich, dass eins diese Menschen nicht als gleichwertig ansieht. Und wenn jemand nicht sehen kann, wie schlecht das ist, dann hat jemand ein echtes Problem.  widow

“Mitgemeint”? Ich lach mich tot

Aber Sprache ist nicht nur dann schädlich, wenn sie offensichtlich beleidigend und herabwürdigend ist. Sprache wird auch dann problematisch, wenn sie bestimmte Menschen von vornherein ausklammert. Ich werfe dazu einfach einmal eine These in den Raum: Die deutsche Sprache ist sexistisch.
“Hääääh”, denkt ihr jetzt vielleicht. Aber ist gar nicht so schwer erklärt. Ich versuche es mal so zu veranschaulichen:

Treffen sich zwei Chirurgen zu einem Bier.
Sagt die eine zur anderen: “Jetzt haben sich bestimmt alle zwei Männer vorgestellt.”

Wir benutzen meist das so genannte “generische Maskulinum” – das bedeutet, wir formulieren alles in der männlichen Form. In Satzungen wird hier häufig ein * gesetzt mit dem Vermerk, dass Frauen selbstverständlich “mitgemeint” wären. Aber Fakt ist, dass sie es meistens eben nicht sind. Wenn wir von Anwälten, Chirurgen, Mechanikern, Professoren etc. sprechen, so stellen wir uns meistens weiße Männer vor. Warum? Weil weiße Männer die “Norm” sind. Darüber hatte ich im ersten Teil dieser Serie gesprochen. Dazu gibt es übrigens so einige Studien, die belegen, dass das “generische Maskulinum” alles andere als neutral ist. Dazu könnt ihr euch hier etwas belesen.

Dass Männer es übrigens überhaupt nicht toll finden, wenn sie selbst plötzlich zu einer Fußnote mit * verkommen, durften wir zu Hauf in Foren und Kommentarspalten und journalistischen Texten lesen, als die Uni Leipzig sich dazu entschloss, in einer Satzung das generische Femininum zu verwenden.

horror-story

Ist plötzlich gar nicht mehr so “neutral” diese Sache mit dem generischen Irgendwas, hm? Aber gelernt haben die Herren daraus natürlich nicht. Schade eigentlich.

Geballte Linkpower

Außerdem interessant, wenn auch nicht explizit zum Thema passend:

Andere “Bitch, please”-Beiträge:

Teil 1 – Feminismus und der ganze Kram
Teil 2 – Intersektio-was?

 

~Jen

11 Kommentare

  1. Danke für den tollen Text! Kann vieles direkt unterschreiben. Mir will es auch nicht in den Kopf rein, warum es Menschen so schwer fällt, ihre Sprache zu überdenken, insbesondere, wenn sie drauf angesprochen werden, dass eine Äußerung problematisch war. Sehr “schön” ließ sich das ja z.B. bei der N-Wort in Kinderbüchern-Debatte vor einiger Zeit beobachten … *seufz*

    LG, M.

    1. Bei der Debatte habe ich auch nur mit dem Kopf geschüttelt. Das war einfach nichts weiter als ein großes Mimimi der weißen Mehrheitsgesellschaft, weil es offensichtlich zu viel verlangt ist, ein bisschen Respekt zu zeigen. Und jetzt könnte ich mich schon wieder drüber aufregen. ;)

  2. Ich finde den Beitrag wirklich spannend und auch wenn ich die vielen vielen links noch nicht konsultiert habe, denke ich, dass du mit vielem wirklich Recht hast.
    Allerdings – und ich glaube es ja fast nicht, dass ich dir mal widerspreche *hihi – habe ich doch noch zweieinhalb Gedankengänge, die ich gar nicht böse oder provokativ meine, sondern die einfach von mir aus getroffene, wahrscheinlich sehr naive Überlegungen sind, weswegen ich das eine oder andere wohl noch eine Weile weiterhin nutzen werde wie bisher.

    Die Rede ist vom generativen Maskulinum. ^^;
    Sicherlich – Maskulinum und mal wieder nicht Feminimum. Und garantiert ist das ursprünglich mal dazu gekommen, weil mal wieder die Herren der Schöpfung in der entscheidenden Machtstellung waren und sich deswegen ihre Formulierung häufiger durchgesetzt hat.
    Fakt ist – oft ist die weibliche Bezeichnung länger, weil ein zusätzliches Kennzeichen für weiblich (allerdings in sehr vielen anderen Sprachen auch, nicht nur im Dt. ^^) hinzugefügt werden muss. Beispiel “Professor – Professorin”. Das ist nicht okay, aber es ist aktuell (noch) so. Wenn nun aber die Mehrzahl betrachtet wird, dann heißt es ja “die Professoren” – und damit ist sowohl Männlein wie Weiblein wie alles andere auch gemeint. In der Theorie. Dass viele das nicht immer zwangweise mitdenken, glaube ich gerne. Dass deswegen aber die Sprache gleich sexistisch ist – daaaa bin ich einfach noch unsicher. Denn Fakt ist – der Mensch ist einfach gemütlich. So auch in der Sprache. kurze prägnante Worte setzen sich durch – darum nutzen wir ja auch sehr oft zB. englische Begriffe anstatt die deutschen Äquivalente, weil sie einfach kürzer und treffender sind. Und auch in unserer Muttersprache hat sich im Laufe der Zeit einfach die ökonomische Form durchgesetzt – und das ist eben die, mit den wenigstens Buchstaben. Darum eben “die Professoren” anstatt “die Professorinnen”, wenn es um alle geht. Weißt du wie ich das meine? Ich sehe, dass da durchaus eine Ungerechtigkeit dahinter steht. Allerdings ist es in meinen Augen nicht der richtige Weg, die Sprache im Sinne von wirklich den wörtlichen Bestand ändern zu wollen, weil momentan zumindest meines Wissens dabei nur Sachen herauskommen, die entweder einfach unökonomisch sind oder aber einfach furchtbar unvorteilhaft und sperrig beim Lesen. Denn ganz ehrlich, ich finde diese Versionen ProfessorInnen oder ProfessX oder auch die mit den Sternchen oder was es noch für Varianten alle gibt einfach wahnsinnig unlesefreundlich. Und ich als Mensch, der selbst schreibt liest und tagtäglich damit zu tun hat, möchte nicht Kopfschmerzen bekommen müssen, weil andere es nicht gebacken kriegen, “fair” zu sprechen… *g
    Besser wäre es in meinen Augen, wenn sich das Bewusstsein wandeln würde. Wenn die Realität endlich mal wieder mit der Sprache näher zusammen gehen würde. Wenn hinter dem generativen Maskulinum (was im Übrigen auch generatives Neutrum werden könnte mMn) wirklich das verstanden werden würde, was es ist: generell alle. Egal wer.
    Aber ich weiß auch, dass ich da sehr naiv und mit einem kindlichen Verständnis herangehe und das sehr aus meiner subjektiven Sicht betrachte, in der es mir einfach nicht begreiflich wird, wieso Menschen dies und das tun, wenn das anderen doch weh tut :(

    Oh ich habe übrigens noch eine Frage bzgl. Political Correctness. Ich will niemandem weh tun – und dass Worte schmerzen, weiß ich selbst nur zu gut. Allerdings sitze ich inzwischen immer öfter sehr verschüchtert da und druckse rum und frage mich – was “darf” ich eigentlich sagen, ohne Menschen weh zu tun … beispielsweise Afroamerikaner. Schwarze kommt mir falsch vor – mit dem N-Wort fangen wir hier gar nicht erst an – aber die Alternativen, die in Schulzeiten und auch medial immer mal wieder umhergeisterten (beispielsweise dunkel bzw. maximal pigmentierte Mitbürger des afroamerikanischen Kontinents oder so) sind ja wohl auch keine ernsthaften Alternativen…
    Also selbst als Mensch, der eigentlich wirklich redlich versucht es allen recht zu machen und jeden mit dem entsprechenden Respekt zu behandeln, den er als Mensch verdient, stehe ich im Endeffekt gefühlt dumm da und mache doch wieder alles falsch … :/

    Das soll wie gesagt bei Weitem kein Angriff gegen dich darstellen oder gegen die Botschaft, die du hier vermitteln willst, denn die hat in meinen Augen definitiv seine Berechtigung und sollte gehört werden. Es ist lediglich ein kleiner Zusatz, den ich noch treffen möchte, dass es auch noch andere Dinge gibt, die mithineinspielen und beachtet werden müssen bei der Suche nach der Lösung für dieses Problem. :)

    1. Thihihi, da haben deine Tasten ja geglüht. ;)
      Keine Sorge, ich nehm dir hier nichts übel. Deswegen schreibe ich diese Beiträge auch – um Diskussionen anzuregen. Ich wirke zwar immer sehr barsch, aber ich freue mich über eure Meinungen.

      Zum generischen Maskulinum:
      Hach, wenn es doch so einfach wäre! Leider ist das Maskulinum einfach kein Neutrum, denn es schließt immer Menschen aus – in diesem Fall Frauen und jene, die sich dem weiblichen/männlichen Geschlecht nicht zugehörig fühlen – wie Lann Hornscheidt. Wenn du beim generischen Maskulinum tatsächlich immer auch Frauen mitdenkst – undzwar tatsächlich 50/50, dann Hut ab. Damit schaffst du nämlich etwas, was die meisten Menschen nicht schaffen. Das zeigen ja diverse Studien (dazu empfehle ich dir auch nochmal den Link, den ich bei dem Thema dazugepackt habe) und deswegen ist es so wichtig, sich über geschlechergerechte Sprache mehr Gedanken zu machen.
      Zur Lesbarkeit – im verlinkten Artikel werden auch Studien dazu angesprochen. Ich bin da der Auffassung, dass eins das trainieren kann. Ich lese ja nun seit Jahren Texte, in denen darauf geachtet wird, auch immer zumindest die weibliche Form mitzunennen oder Formen wie Lehrer*innen verwendetet wird. Tendentiell lese ich es so, wie es dort steht: Also entweder als “Lehrer und Lehrerinnen” oder, bei der Version mit *, lese ich es in der Version, die mich anspricht, also als Lehrerinnen. Eins muss sich erst einmal daran gewöhnen, aber es stört meinen Lesefluss nicht und beeinflusst auch das Verständnis eines Textes nicht. Und ganz ehrlich: Wenn es um Ökonomie geht, dann sollten diverse Autoren mal lieber ein paar Füllwörter weglassen und stattdessen mehr Binnen-Is verwenden. Im Übrigen: das Professx wird total easy ausgesprochen, nämlich als Professix. Sehr geehrtix Professix Hornscheidt – easy-peasy, und ehrlich gesagt genauso “ökonomisch” wie das generische Maskulinum.
      Nur weil etwas schwierig oder ungewohnt ist, sollte eins sich nicht davon abhalten lassen, gerechte Sprache zu nutzen.

      Zur Political Correctness:
      Im Zweifel – einfach Fragen. Die meisten sind völlig fein damit, dir zu sagen, wie sie angesprochen werden wollen, solange du nett und höflich fragst. Ansonsten – Google ist dein Freund und Helfer. Diverse POC haben bereits darüber gesprochen & geschrieben, welche Begriffe sie bevorzugen. Meinem Verständnis nach ist es völlig legitim von schwarzen oder braunen Menschen zu sprechen. “Farbig” solltest du im Deutschen wohl eher meiden, aber genau sicher bin ich mir da nicht. Afroamerikaner passt dann natürlich nur auf schwarze Amerikaner. People of Color ist englisch, aber eine selbstgewählte Bezeichnung und geht damit eigentlich auf jeden Fall.
      Ich empfehle dir, dich etwas mehr in der Welt der “Social Justice Warriors” herumzutreiben – ich schick dir nachher mal ein paar Links rüber. (Du kriegst ja eh noch Blog-Empfehlungen von mir. ;) )

      1. Ich musste nach dem Lesen erstmal ein bisschen darüber nachdenken, was da jetzt alles drin steckt. Und ich glaube, das ich in einigen Punkten auch anders denke, als du es hier dargestellt hast (Stichwort “ausmerzen” zB) – allerdings finde ich es wirklich wichtig, auf die Empfindungen von Gesprächspartnern einzugehen. Wenn sich jemand durch meine Ausdrucksweise gestört fühlt, versuche ich das in einem mir machbaren Umfang natürlich bestmöglich umzusetzen.

        Gerade beim generischen Maskulinum glaube ich aber, das es noch einen anderen guten Grund für die Verwendung gibt: Wenn du ein _innen an ein Wort hängst, schließt du doch sprachlich andere Geschlechter (wenn man nicht von einem binären System ausgeht) oder inter-/intra-wasauchimmer-sexuelle Menschen sprachlich viel mehr aus, als wenn du einen grundsätzlich neutralen Begriff verwendest?
        Ich fühle mich ehrlich gesagt manchmal durch sprachliche “übervorsorglichkeit” mehr diskrimminiert, als durch ein einfaches “Studenten”.

        Achtung: Ich äußere mich äußerst subjektiv und nicht zu allen Punkten, die du angesprochen hast. Aber die Frage zu “_innen” interessiert mich: :3

        1. Naja, das Ding ist: Maskulinum ist ja nicht neutral, sondern wie der Begriff schon verrät maskulin. Wie dein Beispiel “Studenten” – das ist ja einfach die Mehrzahl des maskulinen Wortes “der Student”. (Wenn du von “Studierenden” sprichst, kommst du einem neutralen Begriff allerdings schon weitaus näher.) Es kommt uns nur “neutral” vor, weil wir damit so aufgewachsen sind und alles maskuline als “neutral” gilt. Per se kannste dann auch ab sofort überall das generische Femininum benutzen und sagen “Okay, ist alles mitgemeint, das ist jetzt neutral”, aber auch das wäre eben nicht neutral. (Brauchst du dir nur die Reaktionen auf die Leipzig-Geschichte letztes Jahr anzuschauen – die Herren haben nichts gegen das Maskulinum, weil sie sind ja grundsätzlich immer mitgemeint, aber wenn es umgekehrt ist – und auch sie zu einer Fußnote verkommen, ist es plötzlich ein großes Problem und das obwohl in der weiblichen Version die männliche meistens sogar vorkommt – z.B. Verkäuferinnen.
          Ja, das Thema inklusive Sprache ist für Trans*menschen noch weitaus größer. Allerdings gibt’s hier auch Lösungen, die vielleicht nicht 100% optimal sind, aber gängig und auch von Trans*Menschen genutzt werden. Und das ist beispielsweise das Einfügen eines Sterns. Also: Student*innen. Der Stern steht in diesem Fall für alle weiteren Geschlechtsformen. Angenommen, wir würden die Version nutzen, für die sich Lann Hornscheidt entschieden hat, würde das * für “ix” stehen.
          Wie ich es auch schon in der Antwort zu Silvis geschrieben habe: Wie du das im Endeffekt liest, ist ja komplett dir überlassen. Ich lese “Student*innen” beispielsweise im generischen Femininum, weil ich mich dadurch besser angesprochen fühle. Ich gehe im Kopf und auch beim Vorlesen nicht alle Geschlechter durch, weiß aber, dass hier das * Luft dafür geben würde und kann mir dadurch sicher sein, dass sie nicht aus dem Blickfeld geraten. Trans*menschen würden evtl. statt “Studentinnen” “Studentix” oder ähnliches lesen, weil sie sich dadurch angesprochen fühlen und weil es die Form ist, die sie für sich gewählt haben. Wenn du dich mit dem generischen Maskulinum wohler fühlst, dann benutze das auch weiterhin – ich habe auch es lange Zeit benutzt (und tue es stellenweise immer noch) und versuche es mir gerade abzugewöhnen. Einfach weil ich für mich einen Selbstversuch gestartet habe und gemerkt habe, dass ich – auch wenn ich selbst das generische Maskulinum benutze – fast immer nur Männer dabei vor Augen habe. Um dem vorzubeugen, versuche ich, meine Sprache insofern inklusiver zu gestalten, dass sich von meiner Schreibe mehr Menschen angesprochen fühlen können.

          Gestatte mir eine Frage: Inwiefern fühlst du dich “sprachliche Übervorsorglichkeit” (was du damit meinst, wüsste ich auch gern) diskriminiert? Ist eine ernstgemeinte Frage. Mich interessiert deine Sicht.

          1. Danke für die Antwort. :)

            Zu deiner Rückfrage: Ich finde es für mich problematischer, den Aspekt “Geschlecht” bei Sprache, rechtlichen Regelungen usw. immer wieder in den Vordergrund zu zerren. Damit fühle ich mich so, als würde mir eine besondere Empfindlichkeit unterstellt, die ich persönlich so einfach nicht teile.
            Wenn wir mal ehrlich sind: Die “weißen Männer”, die du bei “Professor” beispielsweise illustrierst, werden doch nicht plötzlich in anderen Bildern denken, nur weil in ihrer Ansprache “Studentix” (ist das so richtig?) vorkommen – da geht es doch nur darum “die ollen Feministen ein bisschen zu beruhigen”. In Der Beziehung denke ich vielleicht einfach pessimistisch.
            Und schließlich: Nur weil die Sprache einer Idee/eines Projektes/eines Artikels nicht alle möglichen Konstellationen berücksichtigt, ist es noch lange keine schlechte Idee. Und nur weil diese Konstellationen sprachlich berücksichtigt werden, steckt noch lange nichts positiv gemeintes dahinter.

            Insgesamt ist sprache etwas für mich hoch ökonomisches. Und durch manche Gedankenspiele werden für mich wirkliche Probleme verdeckt. Beispielsweise die Tatsache, das ein Entbindungspfleger (sprachlich) für mich keine Hebamme ist. Oder §§ 1591ffBGB zur Elternschaft. Oder §183 StGB. Nur eine Hand voll Beispiele.

            Dennoch möchte ich am Ende noch mal betonen: Ich möchte natürlich trotzdem niemanden auf die Füße treten. ;)

          2. Mir geht es bei solcher Sprache ehrlich gesagt nicht um die “weißen Professoren”, sondern zum einen um Mädels, die plötzlich auch von Physikerinnen oder Mechanikerinnen und Professorinnen lesen und merken “Hey, das kann ich auch sein!”. Und mir geht es auch um Jungs, die von Altenpflegern und Erziehern und Kindergärtnern lesen und ebenfalls merken “Hey, das ist völlig normal und das will ich auch werden!” Es geht um Repräsentation. Und die ist nun einmal nicht nur im TV und in Büchern wichtig, sondern auch in der Sprache.

            Und schließlich: Nur weil die Sprache einer Idee/eines Projektes/eines Artikels nicht alle möglichen Konstellationen berücksichtigt, ist es noch lange keine schlechte Idee. Und nur weil diese Konstellationen sprachlich berücksichtigt werden, steckt noch lange nichts positiv gemeintes dahinter. Das habe ich auch nicht behauptet. Wobei ich Menschen, die solche Konstellationen berücksichtigen, durchaus unterstelle, dass sie sich darüber Gedanken gemacht haben. In der Regel wird es ja derzeit durchaus noch bewusst genutzt und nicht automatisch. Auch wenn es die Harald Martensteins dieser Welt gerne auch aus passiver Aggressivität heraus nutzen.

            Hebammen ist ein interessantes Thema – das ist ein Beruf, der wie Kindergärtner*innen bisher vor allem von Frauen ausgeübt wurde. Daher wahrscheinlich auch die weiblich geprägte Bezeichnung. Dass auch dieser Beruf mittlerweile von Männern ausgeübt wird ist toll und ja, das bedeutet eigentlich auch hier, dass wir uns Gedanken über einen neutralen Begriff machen sollten.
            …ich verstehe gerade nicht, warum du gerade §§ 1591ffBGB hier anführst? Überhaupt Paragrafen finde ich schwierig (wobei ich dir bei §183 StGB Recht gebe – das müsste wenn schon alle betreffen und nicht nur Männer), weil Paragrafen ja immer auch gesellschaftliche Aspekte und Annahmen wiedergeben. Unsere Gesetze entstehen genauso wenig in einem luftleeren Raum wie Sprache. Deswegen ist im §183 StBGB zum Beispiel die Rede nur von Männern und daher wird in §§ 1591ffBGB davon ausgegangen, dass nur Frauen Kinder gebären können, wenn es Transmänner beispielsweise auch können. Es gibt mehr als genug Gesetze, die dringend einer Überarbeitung bedürften – allen voran der Vergewaltigungsparagraf. Aber das ein Thema, dass ich später noch einmal in einem Text anspreche.
            Ich weiß, du als Juristin siehst das vielleicht anders. Aber spätestens seit meinem Geschichts-LK fange ich früher oder später an, alles kritisch zu hinterfragen. Nur weil etwas ist, wie es ist, muss das nicht gut sein.

  3. Mhmpf. Jetzt wollte ich unter deine Antwort gern noch eine Antwort tippen – aber da ist irgendwie kein Kommentarbutton mehr. ^^

    Zum ersten Teil: Verstehe ich dich richtig, dass es dir wirklich (ausschließlich?) um Repräsentation durch Sprache geht? Meinst du, das die sprachlich korrekte Verwendung eines Begriffes da wirklich so viel einfluss auf Kinder hat? Ich glaube, reales erleben ist da vorrangig, sonst bleibt es eben bei der Theorie. Wobei ich natürlich nicht sagen möchte, dass die von dir gewünschte Wirkung nicht eintritt, ich wollte eigentlich nur darauf hinweisen, dass das vermutlich nicht ausreichen wird – und ich an dieser Stelle lieber die praktischen Aufgaben in die Hand nehmen würde. Persönliche Präferenz also.

    Zu meinen rechtlichen Beispielen:
    Mhm, vielleicht habe ich mich da nicht klar ausgedrückt: Die §§ dienten als Beispiele für “gesellschaftliche Normen” (in Gesetzesform. Natürlich gibt es bei “Sittlichen Empfindungen” oder “Tradition” auch gute Beispiele, aber die juristischen habe ich einfach schneller zur Hand ^^), die meiner Ansicht andere Probleme haben, als der sprachlich korrekte Ausdruck.
    Vielleicht illustriere ich die §§ 1591 ff BGB kurz: Natürlich ist es ein Problem, das in den Normen erstmal nur Mutter (= biologische Frau) und Vater (= biologischer Mann) steht. Mir geht es aber darum, das ich es juristisch und moralisch problematisch sehe, auf den Geburtsvorgang als Mutterschaft stiftendes Element abzustellen (Stichwort Leihmutterschaft, Eizellspende). Oder die schlimme Situation, in der sich Väter befinden – einmal wenn es um Anerkennung der Vaterschaft geht, aber auch bei Unterhalts- und Erziehungsfragen. Und über die genannten Regelungen hinausgehend, die gesamte Debatte um Adoptionsrechte.
    Ich wollte zeigen: Hinter diesen Regelungen stecken so viel dringendere Probleme, das es für mich persönlich kaum noch ins Gewicht fällt, ob da nun sprachlich alles toll gelaufen ist oder ob das nun auch noch echt unfair ist.

    1. Bevor ich das jetzt noch länger vor mich herschiebe, versuche ich schnell zu antworten.

      Nein, es geht nicht nur um Repräsentation, aber diese eine durchaus ein großer und wichtiger Teil. Da spielen immer mehrere Aspekte mit rein und ich denke, ich habe eigentlich durchaus auch mehrere genannt (das “sich angesprochen fühlen” beispielsweise).
      Aber Sprache anzupassen ist ja nichts rein theoretisches, sondern etwas, dass du durchaus auch praktisch anwendest. Sei dies, weil du es in deinen Blogtexten verwendest oder beim Sprechen. Wie ich oben schon gesagt habe: Sprache schafft Realitäten. Wenn Dinge in der Sprache nicht abgebildet werden, sind sie für viele nicht oder nur vermindert greifbar. Natürlich bringt es nichts, sich nur auf Sprache zu konzentrieren. Darum geht es nicht – aber wenn sich etwas ändern soll, müssen verschiedene Aspekte angefasst werden und dazu zählt natürlich auch unsere Sprache. (Schweden hat gerade eine geschlechtsneutrales Pronomen eingeführt und bei denen ist noch lange nicht alles im Reinen!) Es müssen verschiedene Dinge umgesetzt werden – und an all diesen Aspekten arbeiten Feministinnen seit Jahren.
      Warum ich immer wieder auf Repräsentation herumhacke: Die Weltbevölkerung besteht zu 50%, wenn nicht sogar zu 51%, aus Frauen – spiegelt sich das in den Medien tatsächlich so wieder? Nein. Das Verhältnis in Filmen (im TV ist es etwas anders, aber auch nicht ausgewogen) liegt bei 30-70 – 30% der Sprechrollen gehen an Frauen, 30% der Personen in Gruppenaufnahmen sind Frauen. Und dazu noch ein anderer “fun fact” – in einer Gruppe aus 30% Frauen und 70% Männern, empfinden die Männer, die Gruppe sei gleichmäßig aufgeteilt oder die Frauen seien sogar in der Überzahl. (Ich find grad den Link dazu nicht, der schwirrt irgendwo in den Tiefen meiner Tumblr-Favs. Sorry.) Hier werden als auch Realitäten geschaffen, die eigentlich so nicht existieren. Muss sich das ändern? Auf jeden Fall. Und auch hier müssen wir durchaus auch am Medium selbst anpacken, weil es in der Realität nämlich schon 50/50 ist, es das Medium nicht entsprechend wiedergibt. Und das gilt durchaus auch für Sprache – es gibt Professorinnen, Mechanikerinnen, es gibt Journalisten, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen – diese Menschen sind real existent, finden sich in ihrer eigenen Sprache aber nur bedingt wieder. Ich verweise hier gern noch einmal auf den Link dazu (siehe Blogeintrag): Nur wer Frauen nennt, meint sie auch. Ich habe mir das ja durchaus nicht aus der Nase gezogen.

      Bin ich ganz bei dir – aber nur weil Sprache hier vielleicht ein “kleinerer” Aspekt ist, ist er deswegen nicht unwichtig. Das Argument geht ein wenig in die Richtung von “Was schert ihr euch um eine 50/50 Geschlechterverteilung in Chefpositionen, während in der Ukraine Krieg herrscht. Kümmert euch doch mal um die *richtigen* Probleme.” (Ein wenig nur, aber so kommt es bei mir an.)
      Und täusche dich nicht: Darum geht es auch im Feminismus. Was glaubst du wohl, warum es Männer schwerer haben, das Sorgerecht für ihre Kinder zu erhalten? Weil Frauen grundsätzlich unterstellt wird, dass sie das mit den Kindern und so in den Genen haben. (Schau dir doch mal Werbungen an, wo es um Kinder-/Babyversorgung geht – überall Frauen, nirgends ein Mann. Haushalt? Frauen. Und ich fange hier jetzt nicht noch mit gegenderten Produkten an, das würde den Rahmen sprengen.)
      Alle Aspekte, die Überholungsbedarf haben, sind miteinander verstrickt und bedingen einander. Deswegen ist es manchmal schwierig zu sagen: wir machen erstmal das eine und dann das andere. Ich finde nämlich durchaus, dass durch eine bewusstere Sprache sich vieles in den Köpfen der Menschen ändern kann. Lapidar gesagt: Ein ordentlicher Hirn-Mund-Filter hat noch niemandem geschadet.

      Demnächst wird es sicherlich hier auch ein “wichtigeres” Thema geben. Rape Culture steht bei mir schon auf dem Zettel und auch das oben angesprochene Gender-Marketing. Aber Sprache war gerade für mich einfach aktuell und deswegen habe ich es hier aufgenommen.
      Nur weil ich mir hier für diesen einen Text Sprache herausgepickt habe, heißt das nicht, dass es beim Feminismus nur darum geht. Ich dachte eigentlich, das ist klar, aber ich werde das ab sofort deutlicher machen.
      Und jetzt bin ich müde und ausgelaugt und geh schlafen. So viel zum Thema “kurz antworten”.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert